Mit meinem Namen verbinde ich immer Stärke

Zum 19. Zilan-Festival haben wir, Zilan aus der Bewegung junger kurdischer Frauen interviewt und mit ihr über die Bedeutung des Festivals für die kurdische Gesellschaft und aller Frauen geredet.

 

Hintergrund:

Am 30. Juni 1996 sprengte sich die Guerillakämpferin Zîlan (Zeynep Kınacı) bei einer türkischen Militärparade im nordkurdischen Dersim in die Luft und setzte damit ein Fanal gegen die türkischen Angriffe auf das kurdische Volk. Diese Aktion mobilisierte den Widerstand und erschütterte die türkischen Besatzer in Kurdistan.

 

Was für eine Bedeutung hat für dich das Zilan-Festival, was ist der Hintergrund dieses Festivals und warum bist du persönlich heute hier?

Ich heiße Zilan und komme aus Merdin, ich arbeite mit jungen kurdischen Frauen zusammen, mache Junge-Frauen-Arbeiten.

Ich bin heute unter anderem hier, weil ich selbst den Namen Zilan trage. Mit ihrem Namen trage ich eigentlich auch ihr Erbe weiter. Wir feiern das Festival heute, um ihr zu gedenken, um sie zu ehren, aber auch, um die Linie der Freiheit, der freien Frau weiter zu führen. Şehîd Zilan hat ein Fundament dafür gelegt. Sie hat damit eine ganz andere Art von Widerstand gezeigt, die höchste Form von Widerstand. Damit hat sie eine Vorreiterschaft für alle Frauen übernommen und wurde mit ihrer Tat ein großes Beispiel. Vorallem natürlich für die kurdischen Frauen, aber eigentlich für alle Frauen. Rêbertî sagt ja auch Şehîd Zilan ist das Paradigma der freien Frau. Er hat viel über sie geschrieben.

Wenn ich an Şehîd Zilan denke, denke ich immer an eine sehr starke Persönlichkeit. Immer, wenn ich nach der Bedeutung meines Namens denke, habe ich mit diesem Namen Stärke verbunden. In der Kindheit zum Beispiel, wenn es Situationen gab vor denen ich Angst hatte, haben meine Eltern gesagt „Du heißt Zilan, du bist Zilan“. Mit meinem Namen verbinde ich immer Stärke und somit auch Angstlosigkeit. Ihre Aktion zeigt ihren Mut, dass sie keine Angst hatte. Und auch wie durchdacht ihre Aktion war und auch die Liebe zur Bewegung, zur Gesellschaft und zu Rêbertî. Sie hat eine Antwort gegeben, eine sehr starke Antwort gegen die Unterdrückung der Gesellschaft und die der Frau. Und ich finde deshalb, dass es für uns junge Frauen ein sehr sehr wichtig ist bei deisem Festival zusammenkommt und, dass es die nächsten Jahre immer wieder stattfinden wird. Sodass man auch die Linie von Şehîd Zilan und allen Gefallenen Freundinnen und Freunden weiterführt.

 

Was bedeutet widerständige Kultur für dich? Man könnte sagen, das Zilan-Festival ist ein Kulturfestival, das mittlerweile ein Bestandteil der kurdischen Widerstandskultur geworden ist.

Ich denke, dass es vor allem wichtig ist vor allem hier in Europa als kurdische Frauen zusammen zu kommen und auch das schon ein Widerstand ist, gegen die Politik faschistischer Staaten die von der Mentalität des dominanten Mannes geschaffen wurde. Zusammen zu kommen ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, in Richtung der Befreiung der Gesellschaft auf Grundlage der Freiheit der Frau. Widerständig klingt manchmal, wie etwas Hartes, vielleicht wie ein Begriff, der mit Gewalt verbunden wird. Doch Widerstand kann auch bedeuten zum Beispiel seine eigene Sprache zu sprechen, frei zu denken, freie Gedanken zu erschaffen. Das alles fängt eigentlich im Inneren an. Ich würde auf jeden Fall sagen, dass der Widerstand (der Frau) Teil der kurdischen Kultur geworden ist.

 

Was bedeuten Veranstaltungen wie diese für die kurdische Gesellschaft?

Wir sind ja hier in Deutschland auch ständiger Assimilationspolitik ausgesetzt. Für mich persönlich ist es sehr wichtig unter die kurdische Gesellschaft zu kommen, mit anderen kurdischen Frauen zu sein. Denn wir leben hier in Europa alle dieselbe Realität. Wir können uns gegenseitig stärken. Das Zusammenkommen gibt einem sehr viel Kraft und sehr viel Moral. Die Moral, die man auf Festivals, wie diesen bekommt, nimmt man mit nach Hause. Man weiß immer, dass man nie alleine ist und, dass man viele Menschen um sich hat, die genau so denken, wie man selbst. Es ist wichtig diese Veranstaltung immer weiter zu führen und auch dran teilzunehmen.

 

Das Zilan-Festival wird nur von Frauen organisiert. In welchen Punkten spürt/ sieht man das?

Man merkt das an der Art der Organisierung. Es sind insgesamt viel mehr Frauen da, männliche Freunde sind natürlich auch gekommen. Dieses Gefühl unter Frauen zu sein kann man gar nicht beschreiben, das kann man nur fühlen. Es gibt einem sehr viel Kraft. Auch, wenn man sieht, dass Frauen von überall aus Deutschland herfahren und sich Frauen aus allen Teilen Kurdistans hier heute wieder finden, die dieselben Realitäten teilen – das ist sehr schön.

 

Was bedeutet Selbstverteidigung für dich, wie ist Şehîd Zilan ein Symbol für die Selbstverteidigung der Frau?

Das wichtigste ist, dass Frauen zusammenkommen können und sich organisieren. Sich gemeinsam zu organisieren ist der Schlüssel zur Selbstverteidigung. Selbstverteidigung muss nicht nur im physischen stattfinden, sondern fängt im Kopf schon an.

(Das ist eine sehr schöne Frage, darüber müssten wir alle eigentlich mal nachdenken, um eine Antwort darauf zu finden.)

 

Was können wir als junge Frauen tun, einerseits um die Gesellschaft, die Kultur der Gesellschaft zu schützen (wofür Şehîd Zilans Erbe ja auch unter anderem steht) und andererseits die Gesellschaft und ihre Identität zu verteidigen?

Ich finde es ist sehr wichtig die Kultur zu pflegen. Das fängt natürlich mit der Sprache an, seine eigene Sprache zu sprechen. Durch die Sprache hat man immer einen direkten Bezug zu seiner Kultur. Das ist ein wichtiges Fundament, dadurch entsteht auch ein Gefühl zur Heimat. Aber es gibt noch viele weitere Formen, wie Tanz, Musik, etc., da muss jeder für sich selber auch schauen was einen selbst begeistert, wie man seine Kultur am besten leben kann. Aber ich denke es gibt viele Möglichkeiten seine Kultur kennen zu lernen. In Europa gibt es auch viele junge Frauen, die gar keinen Bezug mehr zur kurdischen Kultur haben. Gerade, weil wir hier so stark die deutsche, die europäische Kultur annehmen und unter dem Einfluss des Systems stehen. Aber es gibt viele Möglichkeiten, wo wir uns als junge Frauen selbst stärken können und die Verbindung zur eigenen Kultur wiederfindet.