Am vergangenen Wochenende fand das traditionelle Festival der Folkloretänze Kurdistans (Mîhrîcana Govendên Kurdistan) in Duisburg statt. Das Tanzfestival jährte sich somit zum 36. Mal. Komas, Govendgruppen und deren Mamostes (LehrerInnen) aus ganz Deutschland und der Schweiz nahmen Teil und die verschiedensten Tänze der Regionen Kurdistans wurden vorgeführt. Am Ende der zwei Tage verkündete die Jury die Tanzgruppen, welche am besten getanzt hatten. Auch wurden Gruppen für besondere Kleidung, besondere Arbeit und Mühen, einen tiefen Weg der Suche – wie genau ein Gebiet getanzt und verstanden wurde – ausgezeichnet. Der Saal als auch die Bühne war mit jungen Menschen prall gefüllt, sie erfüllten den Raum mit Energie und Freude. Wir als Xwebûn-Magazin waren vor Ort und haben mit den jungen Frau gesprochen: was hat Folklore für eine Bedeutung und warum sind Festivals wie diese so wichtig für die (kurdische) Gesellschaft?
Hallo, stell dich gerne zunächst einmal vor:
Hallo, ich heiße Yasmin. Ich bin 23 Jahre alt und komme aus Rojava. Dort bin ich auch geboren und aufgewachsen, in einer kleinen Stadt in der Nähe von Derîk, namens Girkelege.
Ich studiere Logopädie, Sprachtherapie im 6. Semester an der Hochschule in Bochum.
Welcher Tanz ist speziell für dein Gebiet? Und hast du einen Lieblingstanz?
Tänze, die bei uns in Rojava bekannt sind, zum Beispiel Çapkî, Bablikan, Koçerî, Bagiye tanze ich am liebsten. Ich habe viele Lieblingstänze, die auf kurdischen Veranstaltungen (oder Hochzeiten) getanzt werden.
Warum bist du heute hier? Und bist du als Teilnehmerin oder Tänzerin da?
Vor einiger Zeit habe ich selbst bei einer Koma mit getanzt, und zwar „Koma Dersim“. Da haben wir auch immer für die Mihrican trainiert. Ich habe es dann irgendwann aus zeitlichen Gründen nicht mehr zum Training geschafft, das heißt ich habe es dann leider abgebrochen. Aber ich komme sehr gerne zur Mihrican als Zuschauerin, weil ich es einfach sehr interessant finde, wie vielfältig unsere Tanzkultur ist. Es sind ja so viele Regionen und es gibt so unterschiedliche Tänze in allen Teilen Kurdistans. Und wenn ich hier bin habe ich nicht nur das Gefühl, dass ich neue Tänze kennenlerne, sondern tatsächlich auch neue Eigenschaften, Besonderheiten aus den verschiedenen Gebieten.
Was bedeutet für dich Folklore?
Folklore, beziehungsweise das Tanzen an sich ist ja eine Art sich auszudrücken. Und vor allem bei uns in der kurdischen Kultur hat das eine tiefe Bedeutung. Es wurde mir auch immer von meinen Eltern beigebracht, die eigene Leidenschaft und die eigene, die kurdische Geschichte, die kurdische Identität zu kennen und nach außen zu zeigen. Mit unserer Folklore, mit unserem Tanz können wir uns besser ausdrücken. Für mich stellt das eine Verbindung zu meinen Wurzeln, zu meiner kurdischen Identität da.
Warum ist aus deiner Sicht Kultur generell wichtig, Folklore darin auch als Teil der Kultur? Was bedeutet Kultur für dich?
Speziell bei ist der Erhalt der Kultur besonders wichtig, da sie seit Jahrhunderten unterdrückt wurde und wird. Das heißt zum Beispiel durch Assimilationspolitik, durch die Islamisierung, auf Grund verschiedenster Faktoren. Wir durften sie lange Zeit nicht ausleben in dem Maße wie wir es gerne wollten und es notwendig gewesen wäre. Und gerade jetzt, wo wir die Möglichkeit haben unsere Kultur auszuleben, ob Folklore, ob Sprache, Gesang, Bücher, Literatur oder was auch immer, finde ich es sehr wichtig, dass wir dies auch tun und daran arbeiten dies zu stärken. Einfach damit sie nicht verloren geht. Auf Grund der Unterdrückung unseres Volkes haben sehr wenig Menschen von unseren Vorfahren, welche unsere Kultur stark geprägt haben, direkt lernen können. Deshalb sind solche Veranstaltungen so wichtig, wo wir die Möglichkeit haben etwas Neues zu lernen, etwas Neues mit zu bekommen, und das dann auch an andere weitergeben können.
Gerade als Kurdin ist unsere Kultur so fundamental, einfach wenn wir in unsere Geschichte blicken, ist es sehr wichtig, dass wir unsere Kultur weitergeben und sie präsentieren. Kultur ist zugleich auch ein Symbol des Seins einer Gesellschaft, ihrer Existenz.
Was kann man (als junge Frau, als kurdische junge Frau) tun, um die Kultur zu schützen und zu verteidigen?
Als kurdische junge Frau finde ich es sehr grundlegend sich mit sich selbst auseinander zu setzten. Mit der Identität, der eigenen Rolle der Frau in der kurdischen Kultur. Wie diese früher angesehen wurde, wie sie jetzt ist und wie diese in der Zukunft aussehen soll. Es sollte an der Bildung gearbeitet werden, egal ob Mann oder Frau. Ich finde es ist unsere Pflicht durch unsere Bildung ein Zeichen zu setzten, denn es ist ein Instrument, das wir nutzen können. Wenn wir etwas gelernt haben, können wir Kurdistan helfen, unseren Schwestern und Brüdern.
Als junge Frau finde ich ist es wichtig die eigene, die kurdische Sprache zu sprechen, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen. Wie möchte ich als (kurdische) Frau auftreten, wie kann ich für mich und alle Frauen einstehen, was sind meine Rechte? Wie sollen sich andere mir gegenüber verhalten. Wie kann ich meine eigene Gesellschaft für ihr falsches Verhalten gegenüber Frauen kritisieren, aber ohne ungenau zu sein? Denn natürlich gibt es in jedem Volk Klischees über Frauen und eine Erwartungshaltung gegenüber Frauen, die wir alle kennen. Das gibt es überall, nicht nur bei uns. Auch sich damit auseinander setzten ist sehr wichtig. Wie kann ich dazu beitragen, dass sich die Rolle der Frau ins Positive verbessert? Wir brauchen bei diesem Thema einfach mehr Aufklärung. Es ist ein bisschen wie so eine Waage, wo man herausfinden muss, was wichtig ist innerhalb der Traditionen zu erhalten, weiter zu geben und zu leben, und was aber Traditionen sind, die eigentlich überwunden werden müssen.










