16. März 1988 – Giftgas auf Helebce

Am 16. März 1988 verübte das irakische Baath-Regime unter Saddam Hussein einen der grausamsten Chemiewaffenangriffe der modernen Geschichte. Ziel war die kurdische Stadt Helebce im Süden Kurdistans (Nordirak). Der Angriff, der Teil der Anfal-Operation war, sollte den Widerstand des kurdischen Volkes endgültig brechen.

Ein Genozid mit chemischen Waffen
Innerhalb weniger Minuten wurde die Stadt in eine tödliche Giftgaswolke gehüllt. Sarin, Senfgas und weitere chemische Kampfstoffe erstickten Tausende Menschen qualvoll. Zeitzeugen berichteten von einem süßlichen “Apfelduft”, der sich über die Stadt legte – kurz bevor das Massensterben begann. Ganze Familien wurden ausgelöscht, 5.000 Zivilisten – darunter überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen – starben sofort. Weitere 7.000 bis 10.000 Menschen wurden schwer verletzt, viele erlitten bis heute anhaltende gesundheitliche Schäden.

Der türkische Fotograf Ramazan Öztürk war der erste Journalist, der Helebce erreichte. Auf dem Bild ist er in einem Feld voller Leichen zu sehen (c) Ramazan Öztürk Archiv

„Wir kamen 24 Stunden nach dem Angriff in die Stadt. Es war geradezu lautlos. Keine Vögel, keine Tiere. Nichts Lebendiges war zu sehen. Die Straßen waren mit Leichen bedeckt. Ich sah Säuglinge, die in den Armen ihrer toten Mutter lagen. Ich sah Kinder, die im Todeskampf ihren Vater umarmt hatten. Während des Fotografierens habe ich die ganze Zeit geweint und zu Gott gebetet, dass es ein Traum sei und ich gleich aufwache. Ich erinnerte mich an Berichte aus dem jüdischen Holocaust, wie die Opfer in den deutschen Gaskammern übereinander nach oben geklettert wären, um voller Verzweiflung dem Gas zu entkommen. In Halabdscha sah ich viele, die in Gruppen gestorben waren und so wirkten, als hätten sie gemeinsam versucht das Gift nicht einzuatmen.“ Ramazan Öztürk (c) RÖ-Archiv

Warum wurde Helebce bombardiert?
Während des Iran-Irak-Krieges (1980-1988) wurde das kurdische Volk von Saddam Hussein als Bedrohung für seine Macht gesehen. Die Anfal-Operation (1986–1989) hatte das Ziel, die KurdInnen systematisch auszulöschen: Mehr als 180.000 KurdInnen wurden ermordet, Tausende Dörfer zerstört. Helebce wurde gezielt angegriffen, weil sich einige kurdische Peschmerga-Kämpfer mit dem Iran verbündet hatten. Doch die Bomben trafen nicht Soldaten, sie trafen die Zivilbevölkerung.

Die Welt schaute weg
Obwohl das Massaker von Helebce international bekannt wurde, gab es kaum Konsequenzen für das irakische Regime. Westliche Staaten, die Saddam Hussein jahrelang unterstützt hatten, schwiegen oder leugneten das Verbrechen. Erst Jahrzehnte später wurde das Massaker von einigen Ländern offiziell als Völkermord anerkannt.

Helebce – Ein Symbol des Widerstands
Doch die KurdInnen vergessen nicht. Helebce ist mehr als eine Stadt – es ist ein Symbol für das Leid, den Widerstand und den unermüdlichen Kampf eines Volkes für Gerechtigkeit. Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer warten bis heute auf vollständige Anerkennung und Gerechtigkeit.

Heute, 37 Jahre nach dem Massaker, erinnern wir uns an die Opfer von Helebce. Ihr Leid wird niemals vergessen. Ihr Widerstand lebt in uns weiter. Bijî berxwedana Helebce!

 

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